Bike-Festival Willingen: Love the ride (von Vanessa)

Es ist Samstagmorgen. Naja man könnte es fast noch als Nacht bezeichnen. Der Wecker zeigt 4 Uhr und drängt laut zum Aufstehen. Was ist los? Ach ja Racetime! Das mag für Nicht-Radsportler völlig verrückt klingen. Doch was treibt uns an? Ganz klar: Die Liebe zum Sport. Die Reise führt an diesem Wochenende ins Sauerland. Genauer gesagt zur größten Mountainbike-Veranstaltung Deutschlands, dem Bike-Festival in Willingen. Dort finden sich in jedem Jahr über 2000 gleichgesinnte Frühaufsteher zusammen, um gemeinsam den Mountainbike-Sport zu (er-)leben.
 
Zunächst aber zur Vorgeschichte: Im letzten Jahr konnte ich verletzungsbedingt leider nur als Zuschauerin und Betreuerin in Willingen dabei sein, war jedoch begeistert von dieser riesen Veranstaltung. Das Vorhaben stand somit fest: Nächstes Jahr bin ich selber als Fahrerin am Start. Trotz dessen haderte ich im Vorfeld immer wieder mit der endgültigen Anmeldung, da ich vor der Distanz der „Kurz“-Strecke mit 53 Kilometern und über 1500 Höhenmetern doch Respekt hatte. Solche Distanzen hatte ich in dieser Saison im Prinzip noch gar nicht speziell  trainiert, da ich mich eher auf die Kurzstrecke konzentriere. Letztlich ließ ich mich dann doch zur Anmeldung hinreißen. Mein zögerliches Verhalten führte dann jedoch dazu, dass ich mich der späten Anmeldung geschuldet, im allerletzten Startblock D wiederfand. Es dauerte einige Tage und intensive Recherchen bis wir ergründet hatten, dass bei den Startblöcken B bis D die Nettostartzeiten gewertet werden und die Zeit somit beim Überfahren der Start- und Ziellinie mittels Transponder ausgelöst wird. Somit hätte ich also rein theoretisch auch aus dem letzten Startblock, der eine halbe Stunde nach dem ersten Startblock auf die Strecke ging, eine vordere Platzierung erreichen können. Mit diesem Wissen konnte ich mich letztlich dann doch mit meiner schlechten Ausgangsposition abfinden und arrangieren. Ich ging die ganze Geschichte erstaunlicherweise recht gelassen an, da ich mir nach dem Blick auf das stark besetzte Damenfeld keine gute Platzierung ausrechnete. So war ich auch relativ ruhig und entspannt, als ich mich um 7:15 Uhr im Startblock einfand. Das Warmfahren sparte ich mir diesmal, da der Effekt nach 45 Minuten Wartezeit bis zum Start ohnehin verpufft wäre. Ich ließ meinen Blick schweifen: Vorne, hinten, seitlich – überall Radfahrer! Das Feld war so groß, dass man es mit dem bloßen Auge gar nicht komplett erfassen konnte.
 
„Noch 30 Sekunden bis zum Start“ – den akustischen Startschuss konnte man jedoch so weit hinten nicht hören. Dann wurde das Absperrband geöffnet und das Feld aus Startblock D rollte los. Es waren allerdings noch ein paar hundert Meter, bis der luftgefüllte Startbogen überhaupt in Sichtweite kam. Der Start erfolgte dann überraschend ohne weiteres Stoppen so fließend, dass ich gerade noch rechtzeitig mein Garmin aktivieren konnte. Am ersten leichten Anstieg fuhren wir dann bereits auf Startblock C auf und es wurde direkt eng. Es ging aufgrund des großen Fahrerfeldes so langsam vorwärts, dass ich es noch gar nicht richtig als Rennen wahrnahm. Was also tun? Am besten direkt links vorbei und überholen. Das fanden nicht alle Fahrer so lustig, doch ich wollte für den nächsten langen Anstieg (2,3 km mit 250 Höhenmetern) auf den „hohen Eimberg“ eine gute Ausgangsposition erarbeiten, um den Stau am Berg zu umgehen. Da ich ohnehin kein Fan von aggressiven Starts bin, die einen bereits nach wenigen Metern in die Laktathölle befördern, kam mir der gemütliche Beginn eigentlich sehr gelegen. Am Gipfel des Eimberges hatte ich dann aber durch taktisches Überholen in Lücken, die es eigentlich gar nicht gab (gerne auch mal durch die Mitte, links und rechts), einen Großteil der Startblöcke C und D hinter mir gelassen. Die erste knifflige Abfahrt forderte dann volle Konzentration, um Verwicklungen in Stürze zu vermeiden. Ich kam gut durch und erhöhte im darauf folgenden Anstieg das Tempo, um mich weiter nach vorne zu arbeiten. Mein Blick scannte dabei immer mal wieder die Startnummern der Fahrer(innen) ab, die ich überholte: Denn unten ganz klein und unscheinbar in der Ecke war der Startblock vermerkt. Und tatsächlich fand sich nun vermehrt schon die Kennzeichnung „B“ darauf.
 
Ich war doch überrascht, wie gut die Beine heute waren und wie flüssig das Rennen lief. Bei Kilometer 26 läutete die Verpflegungsstation am tiefsten Punkt der Strecke die Halbzeit ein. Ich hoffe, dass kein Einbruch kam und ich auch die nächsten 26 Kilometer durchziehen konnte. Jedoch schien mein akribisch ausgearbeitetes Verpflegungskonzept aufzugehen, denn die Leistungsfähigkeit ließ auch im folgenden 6,6 kilometerlangen Anstieg nicht nach. Die letzte Schlüsselstelle war ein anspruchsvoller Wurzeltrail, der sich mäßig bergauf zog und keinerlei Überholmöglichkeiten bot. Die restliche Strecke war schließlich auf Tempo ausgelegt und der Zielort Willingen kam - vorbei an der Mühlenkopfschanze und dem Wildpark - langsam in Sichtweite. Die letzten 2 Kilometer zogen sich dann noch einmal bergauf, bevor es unter der Downhillstrecke und einem kleinen Pfad hinunter ins Ziel ging.
Mit einer Zeit von 2 Stunden und 57 Minuten (mein persönliches Ziel unter 3 Stunden zu bleiben, knapp erfüllt) erreichte ich als erste Frau aus den Startblöcken C und D das Ziel. Da die anderen Startblöcke durch einen früheren Start bereits im Ziel waren, dauerte die Auswertung etwas länger. Doch dann stand fest: 11. meiner Altersklasse und 16. Frau gesamt. Mit dem Ergebnis bin ich mehr als zufrieden, da ich mit einer so guten Platzierung nicht gerechnet hatte.
Das Rennen hat von Kilometer 1 bis Kilometer 53 Spaß gemacht. Love the ride.
 
Keep on riding,
Vanessa
Zitate des Tages:
„Wie viel bar hast du denn jetzt da reingepumpt?“
      „Ist schon okay, ich lasse vorher immer die ganze Luft ab und mache frische rein.“
„Warte – ich muss mich erstmal sammeln.“
 „Und die kaut hier bei 14 % Steigung noch seelenruhig ihren Riegel – ich kann hier kaum noch atmen.“
 „Du siehst gar nicht fertig aus, bist du überhaupt gefahren?“

 
 

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